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La Fonera … Aber warum ich?

Dezember 2, 2006

Für die, die’s noch nich wissen:

Fon, ein kleines spanische Start-Up-Unternehmen schickt sich mit der Hilfe von Google und Skype an, der größte Hot-Spot-Anbieter der Welt zu werden. Klassischer Weise werden Hotspots von einzelnen, nicht organisierten Betreibern wie Internet- oder auch Telekommunikationsanbietern betrieben. Dieses Prinzip hat aber zwei wesentliche Nachteile: Zum einen muss sich so jeder Betreiber selbst um seine Rechts- und Finanzlage kümmern und zum Anderen resultieren daraus eine gering Verbreitung der Hotspots und unübersichtliche Preispolitik. Damit sind beide Seiten suboptimal bedient.

Fon hingegen geht vom anderen Ende her an das Problem heran. Nicht für Notebook-Besitzer mit Bedarf für Internet wird ein Zugang geschaffen, sondern der Internet-Zugang von Notebook-Besitzern wird geteilt. Praktisch wird dieser Ansatz so umgesetzt, dass im Modell „Linus“ jeder, der seine Internet-Verbindung für andere zur Verfügung stellt, andere von anderen zur Verfügung gestellten Internetverbindungen nutzen kann. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach:

Wer shart, bekommt eine Gegenleistung aus der Community.

Ihren Profit machen die Unternehmen dabei auf unterschiedliche Weise:
Fon selbst bietet „Aliens“ also Leuten, ohne freigegebene Internet-Verbindung an, sich für 3€/Tag in jeden als „Bill“ betriebenen Hotspot einzuwählen. Bei diesem darf der Bill seinen Zugang über Fon vermieten, und bekommt 50% der Einnahmen ausgezahlt.
Google will mehr Leute öfter ins Internet bekommen. Die einfach Rechnung: Mehr Internet-Nutzung führt zu mehr Google-Nutzung. ^^
Skype will durch möglichst flächendeckende WLAN-Verfügbarkeit sein Skype-fähiges WLAN-Handy pushen. Skype-zu-Skype-Gespräche bleiben zwar wie auf den Software-Clients kostenlos, aber ins Festnetz/zu anderen Handynetzen werden Gebühren fällig, in denen eine kleine Gewinnspanne enthalten ist.

OK, OK. Das Prizip ist also besser für alle, aber es ist immer noch kommerziell!

Ja, stimmt. Aber:

1. Ist es längst nicht mehr so kommerziell wie vorher, da die Interessen der Sponsoren / Teilhabern nicht auf den Hotspot selbst gerichtet sind, sondern auf Mehrwertdienste. Dadurch rückt auf diesen Fairness und maximale Verbreitung in den Fokus. Lediglich Fon als eigentliche Firma hat Interesse an den Hotspots. Dieses ist aber klein, da das Geld zum aller wesentlichen Teil nicht aus eigener Tasche kommt, sondern von den Geldgebern und sich relativ schnell rentieren wird.

2. Die Fonera (der subventionierte Router) ist potentiell hackbar … es gab schon entsprechende Versuche, die aber durch flotte Updates der Firmware seitens Fon unnütz gemacht werden konnten.

Das leitet zu einem weiteren Problem: Die zentralistische Software-Struktur. Die WLAN-Router schauen über die freigegebene Internetverbindung von Zeit zu Zeit auf dem Master-Server nach Updates und installieren diese selbstständig. Eine sehr bequeme Lösung, die aber auch die Gefahr von Machtkonzentration birgt. Man stelle sich vor, in einer Welt in naher Zukunft die für die Kommunikation zu wesentlichen Teilen auf Skypefons setzt hackt sich jemand in den Masterserver und setzt nen Link auf seinen eigenen … Binnen einiger Stunden wären ein paar hundert tausend WLAN-Router mit seiner Firmware unterwegs.

So viel Macht gehört einfach nicht auf einen Server.

3. Da sich der Aufbau eines WLAN-Netzes sehr schnell lohnen wird, wird auch der Ausbau sehr schnell gehen, da Kapital aus Überschüssen in eigentlich unrentable, aber die Qualität des Services steigernde Hotspots z.B. in ländlichen Gebieten gesteckt werden kann. Wie auch immer die langfristige (immerhin als weltweit angekündigte) Strategie aussehen wird, darf wohl davon ausgegangen werden, dass die privaten Hotspots irgendwann auch von den Benutzern verwaltet werden dürfen. Zum einen ist genügend Kompetenz vorhanden (siehe z.B. privat betriebene Repositories), zum anderen spart sich Fon so sogar die Verwaltungskosten für eigene Server. – Und andere evtl. auch; Bittorrent (Azureus) kommt schon heute völlig ohne Server aus, in dem es diesen verteilt.

Ich halte daher das Fon-Projekt für einen kommerziellen Weg zur Erschließung von Neuland, dassauf lange Sicht in Hände der Community gehört und deswegen auch dort landen wird.

4. Dieses „Neuland“ ist übrigens auch von juristischer Relevanz:
Mit der Freigabe der eigenen Internetverbindung tritt auch die Gafahr auf, dass andere mit einer anderen Philosophie und Rechtsauffassung als man selbst im Internet tätig werden. (hübsch ausgedrückt, was?) Das kann auch Straftaten wie z.B. das Hochladen von rechtliche geschütztem Material beinhalten. Die Frage die sich dabei auftut ist, ob nur der (im Fall einer ungeloggten Anmeldung an eine Fonera kaum zu indentifizierende) Straftätige belangt werden kann, oder ob der Eigentümer der zur Staftat benutzten Leitung ebenfalls zumindest insofern belangt werden kann, als dass man auf Unterlassung klagt.

Im bisher einzigen Fall eines großen Musiklabels gegen eine Mutter und ihren Sohn ist das Gericht in erster Instanz und ohne Berufung zu dem Schluss gekommen, dass die beiden zwar ihren eigenen Angaben entsprechend unschuldig waren, die Straftat begangen zu haben, aber trotzdem ihr WLAN gegen unbefugte Benutzung absichern müssten. Das Urteil des Gerichts ist unter dem Aspekt, dass die Absicherung lediglich nicht erfolgte, weil die Verschlüsselungsfunktion vom Router/AP wie in vielen Fällen schlicht nicht aktiviert wurde.

Für das Weglassen der Verschlüsselung bestand außer Bequemlichkeit / mangelndem Fachwissen / Einarbeitungbereitschaft aber kein weiterer Grund. Im Fall vom Fon-Projekt hingegen schon; hier soll die Verbindung ja gerade freigegeben werden. Ohne Verschlüsselung, ohne (Rückschlüsse auf die übermittelten Daten ermöglichendes) Logging. Also praktisch (zumindest solange sich Fon an ihre Datenschutzrichtlinien hält) (für Dritte) anonym.

Damit (und mit der bald sehr steigenden Popularität) ergibt sich eine Verschiebung der Situation. In dem Moment, wo gesellschaftlich akzeptiert ist, dass private Internetzugänge (fast) frei nutzbar gemacht werden, (wie es heute im LAN schon mit der Mehrheit DSL-Zugängen der Fall sein dürfte) wird aus dem Unsicheren WLAN ein Teil der (oberen) Internet-Infrastruktur und aus dem DSL-Anschluss-Inhaber ein Provider. Ebenso wie Provider nicht für Straftaten ihrer Kunden belangt werden können, weil das Durchleiten von Daten über große Distanzen gesellschaftlich akzeptiert ist, müssten auch Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen nicht mehr an den Anschlussinhaber, sondern an seine Mitsurfer gehen.

Da Fon die Kunden zwar identifiziert, um sie zu authorisieren, von ihren Datenverkehr aber nichts mitbekommt, ist dies meines Erachtens nach unmöglich. Damit wäre die Belangbarkeit von Urheberrechtsverletzungen und ähnlichen Straftaten, die im Internet verübt werden praktisch aufgehoben.

*huch* Internet mal wieder als rechtsfreier Raum?!?
Nicht gerade, was gesellschaftlich akzeptiert würde.

Aber andersrum:
Würde man Fon bzw. die Betreiber von Foneras oder beide in Kobination rechtlich dazu zwingen, sämtlichen Verkehr ausreichend zu loggen und entsprechende Hintertürchen für Behörden einzurichten wie es evtl. bald (mit Inkrafttreten der Vorratsdatenspeicherung) Provider müssen, liefe das auf einen krassen Anstieg der Überwachungsmaßnahmen hinaus, deren Logik zufolge auch andere halböffentliche Infrastruktur wie z.B. Straßen überwacht werden müssten.

Es stellen sich die Alternativen Überwachungsstaat und Anarchie.
Ich wähle Fonera.